Vogelmama:
Na, so was. Ein echter Engel!
Spatzi! Ich hab dir doch gesagt, du sollst nicht immer so hohe Nistplätze aussuchen.
Das hier ist ja wohl die Krönung. Nächstes Mal lass ich mir von dir nicht die Augen verbinden,
wenn du mich wieder an einen Überraschungsplatz führst.
Vogelpapa:
Ich glaube nicht, dass das den kleinen Engel hier interessiert.
Nicht wahr? Was machst du hier eigentlich?
Gloria:
Eigentlich mach ich gar nichts. Ich lerne. Also ich lerne beim Leben.
Aber jetzt ist mir grade was ganz Tolles eingefallen.
Ich glaube, es hat einen Grund, warum ich ausgerechnet zu euch gehüpft bin. Wartet mal, mh-mh, mh!
Sind die hier weich genug? Fühl mal!
Vogelmama:
Du, das ist ja ganz lieb von dir, aber das können wir nicht annehmen, weil -
Gloria:
Doch, doch. Geht schon klar. Ich hab ja echt viel davon.
Nimm nur. Sind sie denn gut genug?
Vogelmama:
Ja, natürlich. Sie sind ja von einem Engel! Aber die brauchst du doch zum -
Gloria:
Nö. Eigentlich brauch ich die nicht. Und ehrlich gesagt: Manchmal nerven mich die doofen Dinger da hinten ganz schön.
Ich kann mich nie richtig verstecken. Und irgendwo rauf- oder reinklettern kann ich auch nicht. Dauernd bleib ich hängen.
Vogelpapa:
Ja, aber Kind. Sei doch vernünftig! Du brauchst doch die Flügel noch für -
Gloria:
Jetzt fängst du auch noch damit an. Kind! Kind!
Ich hab gedacht, ich kann euch helfen.
Vogelpapa:
Ja, das tust du ja auch, aber, aber -
Gloria:
Na dann lass es doch einfach gut sein. Freu dich und bau dein Nest.
Ich bin ja schon weg. Will auch gar nicht weiter stören.
Gloria:
So was Blödes! Sollen die das nächstes Mal sehen, wie sie ihr schönes, weiches Nest gefedert kriegen!
Ich jedenfalls kümmere mich nicht mehr um andere.
Hey, was ist denn das? Was hör ich denn da?
Engelskind:
Höh-höh-höh, höh-hö-hö.
Gloria:
Hey! Hallo! Ich bin Gloria. Gloria Engel. Wer bist denn du? Und was ist mit dir los?
Engelskind Raphael:
Höh-höh. Ich - höh - heiße Rafi - Raphael - höh-höh - und ich - ich - trau mich nicht mehr zur Schule! Höh-höh.
Ich hätte besser auf sie aufpassen müssen!
Gloria:
Was? Du gehst zur Schule?
In eine richtige Schule? Mit anderen Engelskindern?
Wo denn? WO? Sag schon!
Raphael:
Höh-höh-höh.
Gloria:
Also, jetzt sag doch schon was. Hey! Du! Rafi!
Raphael:
Ist doch egal! Ich kann da eh nicht mehr hin! Höh-höh-höh.
Gloria:
Ich wär so froh, wenn ich mit anderen Engeln zur Schule gehen könnte!
Jetzt hilf mir doch mal und sag mir, was eigentlich passiert ist.
Raphael:
Höh-höh, höh-höh. Unsere Schule, höh-höh ist da hinten, hah-hah. Du kannst sie von hier nicht sehen. Höh-höh.
Da, hinter dem Wolkenberg, hah.
Heute machen wir unser großes Projekt. Alle Engels-Schulkinder schreiben zusammen ein riesengroßes Plakat für den neugeborenen König.
Darauf steht das Lied, das wir zu seiner Geburt singen wollen.
Gloria:
Na, das ist doch prima! Vielleicht kann ich bei euch mitmachen?
Los. Lass uns gehen.
Raphael:
Aber ich kann nicht! Höh-höh!
Ich kann nicht mitschreiben!
Gloria:
Hä? Und wieso nicht?
Raphael:
Weil das so ein besonderes Geschenk für den neuen König werden soll,
mussten alle Kinder ihre allerbesten Schreibfedern mitbringen, damit auch nichts verkratzt oder verkrakelt.
Gloria:
Ja? Und? Lass dir doch nicht alles aus der Nase ziehen! Das ist ganz schön anstrengend!
Raphael:
Ich habe meine Feder verloren! Die beste, die wir in unserer Familie haben!
Mein Opa hat sie von seinem Opa. Und der hat sie auch wieder von seinem Opa. Und der hat sie -
Gloria:
Lass mich raten. Auch wieder von seinem Opa?
Raphael:
Nein! Die war von einem echten Erzengel! So was kriegst du nie wieder!
Und überhaupt war die so lang und so glatt und überhaupt noch nicht abgenutzt.
Und sie schrieb ganz sauber, selbst wenn man noch keine so gute Handschrift hat – wie ich.
Außerdem sind die anderen jetzt bestimmt sowieso schon fertig. Höh-höh.
Gloria:
Ok. Jetzt versteh ich, dass Du ein echtes Problem hast.
Aber vielleicht kann ich dir ja helfen. Pass mal auf!
Hier. Wie wär’s mit der?
Oder die hier?
Raphael:
Gloria! Bist du total verrückt geworden?
Das darfst du nicht! Du kannst doch sonst nicht fliegen!
Gloria:
Fliegen? Wie – fliegen?
Raphael:
Na, wenn du irgendwo hinwillst, dann?
Gloria:
Dann hüpfe ich. Du nicht?
Raphael:
Quatsch! Man kann doch nicht zur Erde hüpfen! Gloria!
Wie willst du denn zur Geburt des neuen Königs kommen? Mit Hüpfen schaffst du das nie!
Da musst du FLIEGEN können. Und das geht nur mit Flügeln!
Dreh dich mal um.
Au weia! Wie siehst Du denn aus?
Das wird nie was!
Gloria:
Du bist so gemein! Lass mich bloß in Ruhe. Das stimmt alles gar nicht!
Papa! Papa!
Vater:
Gloria! Was ist denn los?
Und wie, um Himmels Willen, siehst du aus?
Was ist denn passiert? Hat dich jemand überfallen?
Zeig mir mal deine Flügel.
Oh nein! Wie konnte das passieren?
Gloria:
Was ist denn, Papa, was ist denn?
Vater:
Deine Flügel, Gloria! Da fehlen Federn ohne Ende. Sogar die ganz großen, an den wichtigsten Stellen.
Damit kannst du bestimmt nicht mehr fliegen.
Vielleicht noch ein bisschen flattern, aber selbst dafür bräuchtest du viel mehr Kraft, als du hast, meine Kleine!
Gloria:
Aber Papa, ich hab doch nicht gewusst, dass ich die brauche. Das hat mir echt keiner gesagt. Niemals!
Vater:
Meine liebe Tochter. Dafür kenne ich dich wirklich zu gut.
Ich bin mir ganz sicher, dass Frau Scollar dir das nicht nur einmal erklärt hat.
Aber wahrscheinlich warst du mal wieder mit deinen Gedanken ganz woanders.
Jetzt hast du den Salat. Die Geburt des Königs kannst du dir wahrscheinlich abschminken.
Da kommst du nie an.
Gloria:
Ach Papa! Lass es uns doch bitte wenigstens versuchen. Ich streng mich auch ganz doll an.
So?
Ist es so richtig?
Vater:
Hmm-hah-ha. Ich hab’s ja gesagt. Mehr als Flattern kannst du mit den Dingern nicht mehr.
Ach Gloria! Wir kommen bestimmt nicht mehr rechtzeitig.
Jedenfalls brauchen wir sehr viel länger als geplant.
Wenn wir überhaupt jemals ankommen. Du immer mit deinen verrückten Ideen!
Was soll nur mal aus dir werden?
Prima, Gloria! Das machst du wirklich gut.
Aber es dauert eben seine Zeit.
Gloria:
Und es ist TOTAL anstrengend!
Vater:
Oh nein! Daran hab ich ja gar nicht gedacht!
Jetzt konnten wir uns nicht mal mehr ordentlich zurecht machen, weil wir deinetwegen so schnell los mussten!
Gloria:
Ach Papa! Ich möchte so furchtbar gerne den neuen König begrüßen.
Alle haben von ihm geredet. Alle waren ganz aufgeregt.
Und jetzt - und jetzt schaff ich’s einfach nicht.
Vater:
Ach komm, Gloria. Du warst bis jetzt so tapfer! Vielleicht schaffen wir’s ja doch noch.
Und schau mal, da hinten! Siehst du ihn? Da ist ja schon der Stern.
Gloria:
Stern? Was für ein Stern?
Ja, ja. Da.
Ich sehe das Funkeln da hinten. Aber was hat das zu bedeuten?