Sprecher:
Silbermond blieb bei der Familie und brachte ihnen alles bei, damit sie sich allein versorgen konnten.
Nach vielen Wochen verabschiedete er sich und machte sich auf, dem Stern, seinem Wegweiser, zu folgen.
Refrain:
Der den Regen und den Wind erdacht,
der die Sonne und den Mond gemacht,
hat für jedes Menschen Leben
einen Stern am Himmel gegeben.
Sprecher:
Bald hatte Silbermond die Hügel hinter sich gelassen und gelangte ins Gebirge.
Hier war bereits der erste Schnee gefallen.
„Vielleicht hätte ich doch auf meinen Bruder hören sollen“, dachte Silbermond,
„dann wäre ich noch vor dem Winter über die Berge gekommen.“
Die Tage wurden kürzer und kürzer.
Es dunkelte schon früh, und Silbermond musste sich immer zeitiger eine Bleibe für die Nacht suchen.
Eines Abends trieb ein heftiger Wind schwarze Wolken über die Berggipfel. Ein Schneesturm fegte daher.
Die Lamas duckten sich zu Boden, und Silbermond legte sich zwischen sie, damit die Kälte ihm nichts anhaben konnte.
Gegen Morgen war der Himmel wieder klar.
Silbermond konnte den weißen Stern unter den tausend und abertausend Himmelsfunken gleich erkennen.
Wie von Goldstaub leuchtete der Schweif, den er hinter sich herzog.
Am nächsten Tag kam Silbermond ein struppiger Hund entgegengesprungen.
Das Tier blieb nicht weit vor den Lamas stehen.
Sobald sich Silbermond jedoch näherte, lief der Hund ein Stück vor, verharrte aufs neue und bellte.
Silbermond dachte: „Der Hund will mich führen“.
Er ging ihm nach. Kurze Zeit später verschwand das Tier unter einer Tanne, die ihre Zweige tief auf den Boden gesenkt hatte.
Dort fand Silbermond einen alten Mann. Der hatte vor dem Sturm Zuflucht gesucht und war durchgefroren und steif vor Frost.
Es war Silbermond, als ob er die Stimme seiner Mutter hörte.
Er griff nach den Geschenken, die er für den großen König mitgenommen hatte, hüllte den Alten in den buntgefärbten Umhang,
setzte ihm die warme Mütze auf und deckte ihn mit dem Bärenfell zu.
Alter:
Ich danke dir, Fremder.
Ich bin „Der in den Bergen lebt“, und meine Hütte ist nicht weit von hier.
Wo auch immer du hinwillst, du wirst es jetzt nicht erreichen, denn kein Mensch kann zu dieser Jahreszeit das Gebirge überwinden.
Sprecher:
Silbermond wusste, dass der Mann recht hatte.
Es blieb ihm nichts anderes übrig, als die Wintermonate in der Hütte zu verbringen.
Als der Frühling kam, schenkte er ihm zum Abschied die wärmende Kleidung.
Silbermond verließ die Hütte, der Hund aber lief vor den Lamas her und zeigte ihnen den Weg.
Es ging durch tiefe Schluchten und über steile Passwege.
Manchmal war Silbermond so erschöpft, dass er zu sich sprach: „Ich kann nicht mehr. Vielleicht sollte ich umkehren.“
Aber dann hörte er eine Stimme in sich:
Refrain:
Der den Regen und den Wind erdacht,
der die Sonne und den Mond gemacht.
Sprecher:
Tag und Nacht wechselten ab, ein großer Regen setzte ein, aber Silbermond vertraute dem Hund und folgte ihm.
Eines Morgens dann wurden die Wolken von einem frischen Wind aufgerissen, und die Wolkenfetzen trieben davon.
Silbermond staunte, er befand sich am Rande des Felsengebirges und konnte bis weit ins Land hinein sehen.
Der Hund bellte fröhlich, sprang noch einmal um die Lamas herum und lief dann zurück.
Silbermond rastete lange. Die Sonne hatte schon Kraft und wärmte seine Glieder.
So schöpfte er neuen Mut und konnte weiterwandern.
Viele Tage wanderte er über Frühlingswiesen und durch lichtgrüne Wälder.
Eines Morgens jedoch haben die Lamas ihre Nasen, schnupperten und tänzelten aufgeregt auf der Stelle.
Silbermond spähte aufmerksam nach vorn. Mitten auf der Wiese sah er eine Gestalt lang ausgestreckt liegen.
Er ging vorsichtig näher. Es war ein Junge, ein Kind fast noch, das da reglos lag.
Tiefe Bisswunden hatten ihm Arm und Bein zerfetzt.
Hirtenjunge:
Die Wölfe, die Wölfe …
Silbermond:
Pscht, du darfst jetzt nicht reden. Schone deine Kraft. Ich werde dich versorgen.
Zuerst reinige ich deine Wunden mit Öl – das tut nicht weh.
Hirtenjunge:
Was machst du, wo gehst du hin?
Silbermond:
Keine Angst, ich lasse dich nicht alleine.
Ich baue für uns ein Baumhaus, so hoch, dass kein Wolf es erreichen kann.
So, warte, ich werde dich hinauftragen.
Sprecher:
Silbermond sammelte Heilkräuter, legte Verbände an und kühlte die fieberheiße Stirn des Kranken.
Das ging viele Tage so. Erst allmählich wich das Fieber. Bald schon konnte der Junge von sich erzählen.
Hirtenjunge:
Danke für deine Hilfe. Ohne dich hätte ich wohl sterben müssen.
Die Wölfe haben mich überfallen und alle meine Lamas getötet.
Ich habe mit dem Hirtenstock auf sie eingeschlagen, aber es waren so viele.
Ich konnte nichts mehr für meine Tiere tun. Was wird nur mein Vater sagen?
Silbermond:
Warte ab und werde erst einmal wieder gesund. Du warst schwer verletzt,
die Wunden werden einige Zeit brauchen, um zu verheilen.
Ich bleibe bei dir, bis es dir wieder besser geht.